November: Die Kunst ist tot!

Dancing with Marilyn

Es lebe die Kunst!

Ach, dieses Grau! Diese Trostlosigkeit! Können wir diese Jahreszeit vielleicht überspringen?

Jedes Jahr kommt es wieder auf mich zu, ohne dass ich es bestellt hätte – dieses elende Nass, dieses Nieselwetter. Das Sterben der Natur findet vor unser aller Augen statt. Da hilft es auch nicht, den Blick abzuwenden. Wer es nicht rechtzeitig in den sonnigen Süden geschafft hat, muss nun dadurch! Ok, da gehöre ich auch dazu.

Ist das nicht Gift für die Kreativität? Wo, bitteschön, finde ich nun die Inspiration und den Mut für neue, schöne Werke und Taten?

„Hinter dem Grau ist das Weiß verborgen! Gib ihm Licht!“

Na gut: Ein bißchen Pathos hilft vielleich gegen die Tristesse. Der Grauschleier des Novembers hat sicherlich für jeden von uns Geheimnisse, die gelüftet werden können. Auf jeden Fall wähle ich gerne ein lichtes Weiß, um das fade Grau dieser Jahreszeit zu erhellen. Denn abschaffen oder überspringen will ich diesen Monat ja auch nicht – dafür bin ich einfach zu neugierig.

Dabei lasse ich mich auch gern auf neue Experimente ein. Auch das hilft bei schlechtem Wetter: Dafür habe ich mal weiß in weiß gemalt. So richtig großflächig mit Acryl und breitem Pinsel. Das ist normalerweise nicht so mein Ding. Weder die Farbe noch die große Fläche. Aber ein Ausflug in ungewohnte Techniken ist mir trotzdem hin und wieder wichtig. Und wenn es nur dazu gut ist, wieder zu meinen eigenen Wegen zurückzufinden.

Die Weiß-in-weiß-Technik wird auch in der Kunsttherapie eingesetzt als Einladung, den eigenen Ausdruck wieder zu finden. Denn wenn ich nicht gleich alles sichtbar machen muss, nicht jede Farbe und Form meines Werkes preisgebe, lädt das zum Experimentieren ein. Ich tauche den Pinsel zwar in die Farbe, führe ihn über die Fläche und ziehe Linien und bilde Formen. Dabei hinterlasse ich dennoch kaum Spuren. Es ist ein Akt des Flüsterns – ein Spiel der Geste, virtuos und frei, ohne die Konturen zu verraten. Bei meinem Experiment habe ich einen dicken Farbauftrag gewählt. Damit konnte ich immerhin einigermaßen sichtbare Strukturen in die Farben bringen und mit den Schatten spielen. Aber je lasierender die Farbe, um so geheimnisvoller und freier das Ergebnis. Das ist gut fürs Durchatmen: schon das Gleiten des Pinsels über den Grund kann so befreiend sein, dass das Sichtbare an Bedeutung verliert. Meine Empfehlung: Unbedingt selbst ausprobieren! 👍 🖌️

Weiß in Weiß
Weiß in Weiß – verborgene Konturen

Vielleicht können wir diese farblose Zeit der Trauer und Grabgestecke ja sogar liebgewinnen und uns einfach auf eine Zeit des Innehaltens einlassen. Als Verbündeter ist der November nicht mehr ganz so trostlos. Vielleicht ja sogar tröstlich.

Die Erkenntnis, dass kein Wachstum auf ewig anhält, hat ja auch etwas heilsames. Das gilt auch für die eigene künstlerische Arbeit. Eine Verschnaufpause vom ewigen Höher, Weiter, Schneller birgt die Chance, vieles zu überdenken, altes neu zu betrachten und Kräfte für Neues zu sammeln.

Dieser ewige Wettstreit zehrt an den Kräften. Angetrieben und gehetzt, nach Anerkennung und Sichtbarkeit hechelnd, versperren wir uns den Blick für das. was wir eigentlich für uns wünschen und erhoffen. Dabei sollte doch das eigene Werk nicht in ersten Linie für andere erschaffen werden. Denn im Grunde ist jedes Werk ein Selbstporträt. Etwas anderes können wir mit unserer Kunst niemals erschaffen. Natürlich ist es eine große Freude, wenn unsere Arbeit von anderen geschätzt wird. Aber wenn wir nur das Werk erschaffen, von dem wir meinen, dass andere es so haben wollen, dann verlieren wir uns darin. Denn mit jedem Werk bringen wir ein Stück von uns selbst in die Welt. Jedes Bild ist ein Spiegel, jede Skulptur, jede Perfomance, jede Komposition zeigt eine Facette von uns. In unseren Kreationen können wir uns selbst wiederfinden.

Mein eigenes Werk schöner zu machen, um gefällig zu wirken, hässlich zu machen, um zu schockieren, es mit Botschaften überfrachten, um zu belehren, immer schriller zu werden, um aufzufallen…es gibt viele Möglichkeiten, mich mit meinem eigenen Schaffen von mir selbst zu entfernen. Natürlich kann jeder der genannten Wege auch der richtige sein, um mich selbst auszudrücken. Aber hin und wieder ist es gut, einen Schritt zurückzutreten, um mich zu fragen: Ist mein Werk mir selbst noch dienlich? Denn es ist gar nicht so einfach, die vielen Stimmen im Kopf zuzuordnen: Was will ich selbst? Und was lasse ich mir einflüstern?

Der November ist gut geeignet, mir diese Fragen zu stellen. Ich ziehe mich zurück. Ich verlasse mich darauf, dass die Welt sich einen Moment von allein weiter drehen wird. Ich lasse die zurückliegenden Ereignisse Revue passieren. Dabei wollen die meisten Dinge einfach nur betrachtet werden, um sich in Wohlgefallen auflösen zu können. Dies ist meine Zeit.

Übrigens spiel das Weiß in allen meinen Collagen eine besondere Rolle – gnaz besonders, wenn sie fotografiert werden wollen. Denn spätestens beim Weißabgleich der Kamera zeigt sich – weiß ist nicht gleich weiß. Mein Papier, auf dem ich am liebsten arbeite, hat kein strahlendes, sondern eher ein natürliches, warmes Weiß. Aber mit dem ersten Farbtupfer, den ich aufbringe, Kann die Kamera unter Umständen die ganze Szene verfälschen, indem das Weiß einen Grünton bekommt oder einen Rotstich (den ich besonders grässlich finde) oder das Foto erhält einen kalten Blaustich. Es erfordert das Fingerspitzengefühl des Fotografen, das passende Weiß abzubilden. Bei diesem Motiv hatte ich gedacht, eine eindeutig weiße Blüte der Deutzie zu verarbeiten. Die Makro Aufnahme offenbart die Komplexität und Tiefe auch im allerkleinsten Bereich. Mich erinnert dieser winzige Vogel an die berühmte Aufnahme von Marilyn Monroe mit weißem Kleid auf einem Lüftungsschacht stehend. Aber natürlich sei betont: Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig. Hier als das kleine Monroe Elsterchen.

Dancing with Marilyn Monroe

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